Stephan Böni - Unscheinbar

unscheinbar

Unscheinbar
Der erste Tag

KI-unterstützte Prothesen können Fluch und Segen zugleich sein.

Der Roman "Unscheinbar - Der erste Tag" ist erst in der Startphase. Wenn du dich einbringen und den weiteren Verlauf mitgestalten möchtest, dann bist du hier genau richtig.

prologue

Prolog

Träger Novembernebel quälte sich an diesem frühen Morgen die schmale Gasse empor. Ein leiser modriger Geruch lag in der Luft. Sidonius B. Kirchwood stand vor einem kleinen baufälligen Häuschen. Die bröckelnde Fassade wurde mit unzähligen Schichten von Werbepostern zusammengehalten. An einer freien Stelle am oberen Ende krallte sich eine einsame Lampe. Sie leuchtete dem Nebel trotzend die stille Gasse eines verlassenen Dorfes aus. In ihrem Lichtschein tanzten die feinen Nebelschwaden sanft und gespenstisch, angetrieben von einer fröstelnden Brise. Die Sonne war erst vor wenigen Minuten aufgegangen und stand noch tief am Horizont vom Nebel verdeckt. Sidonius zog die kalte Morgenluft in seine Lungen, als wäre es ein seltener Genuss. Dann schloss er die alte klapprige Türe auf und betrat schnell den engen, dunklen Raum, um dann sofort die Türe hinter sich zu verschliessen.

Er tastete mit seinen Finger nach einer unscheinbaren Ritze im alten Gemäuer, das das kleine fensterlose Häuschen mit kaum zwei Meter Durchmesser umfasste. Es war eine marode Hütte, die von der Umwelt am Ehesten als antikes Trafohäuschen gewertet würde. Ein leises Klicken bestätigte, dass er die richtige Stelle gefunden hatte. Mit einem sanften Rütteln senkte sich der staubige alte Holzboden wie ein Aufzug nach unten. Nach gut vier Metern kam er wieder zur Ruhe. Die Wände waren aus fugenlos verputztem und weiss gestrichenem Beton. Kleine am Fussende im Mauerwerk eingelassene Leuchtdioden beleuchteten nun den engen Raum.

Über einer grifflosen Tür zoomte eine Kameralinse auf sein rechtes Auge, das Sidonius wissend entgegen streckte. Es war sein echtes Auge. Das linke war durch eine künstliche Prothese ersetzt worden. Eine der vielen technischen Anpassungen in seinem Körper. Bei einem schweren Motorradunfall verlor er vor einigen Jahren beide Beine, einen Arm und ein Auge. Auch der restliche Körper war stark geschunden und wurde durch viele Operationen wieder hergestellt. Was heilen konnte, verheilte gut und mit Hilfe von moderner, kosmetischer Chirurgie fast narbenlos. Doch Sidonius war danach zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen und wurde in eine Reha-Klinik verlegt. Dann tauchten ein paar Leute von der Regierung auf und fragten ihn, ob er wieder gehen möchte. Welch blöde Frage. Wer im Rollstuhl möchte nicht wieder gehen können? Selbstverständlich wollte Sidonius wieder gehen können und erklärte sich bedenkenlos bereit, dafür bei einem geheimen militärischen Programm mitzuwirken. Er war bis zu seinem Unfall Soldat gewesen und meinte den Armeeapparat zu kennen. Doch was er danach kennen lernte, übertraf all seine Vorstellungen. Man baute ihn zu etwas um, was in der Science-Fiction-Literatur wohl als Cyborg bezeichnet worden wäre.

Mit einem leisen Klicken öffnete sich nun die Türe und schwang auf. Dahinter wartete ein langer, hell ausgeleuchteter Gang. Als Sidonius mit ruhigen Schritten diesen entlang marschierte, wusste er, dass er dabei mit allen heute möglichen Techniken gescannt wurde. Falls er etwas Verdächtiges an oder sogar in sich getragen hätte, wäre er umgehend ausser Gefecht gesetzt worden. Dazu standen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Ein sofort betäubendes Gas, das aus mehrere Düsen ausströmen würde. Oder Stahlschotte, die sich vor und hinter ihm schliessen würden. Oder eine automatische Selbstschussanlage, um nur einige der ihm bekannten Massnahmen zu nennen. Durch diesen Gang würde also niemand unbefugt in die grosse unterirdische Anlage hinein oder auch hinaus gehen können. Es gab zwar mehrere Zugänge, aber alle waren vermutlich identisch gesichert. Sidonius kannte nur wenige und war auch nicht befugt, diese nach eigenem Gutdünken zu nutzen.

Am Ende des Ganges erwartete ihn Dr. Manuel Custodio, einer der leitenden Ärzte, die sich um seine Implantate kümmerten.

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