Stephan Böni - Ungebunden

ungebunden

Ungebunden
Die Zutaten des Lebens

Das Elexier des ewigen Lebens existiert. Die Zutaten sind jedoch nur noch teilweise bekannt.

Der Roman "Ungebunden - Die Zutaten des Lebens" ist schon etwas Fortgeschritten. Wenn du dich einbringen und den weiteren Verlauf mitgestalten möchtest, dann bist du hier genau richtig.

prologue

Prolog

Courban, im Osten Frankreichs – Herbst 1461

Das abseits stehende Haus brannte lichterloh. Alle Dorfbewohner waren versammelt und schauten auf die tanzenden Flammen. Antoine Maréchal stand etwas näher dem brennenden Haus zugewandt. Er kniff die Augenlider zusammen, als der Schweiss von der Stirn in seine Augen zu rinnen drohte. Ein leichter Windhauch drückte die Hitze des Feuers in seine Richtung. Doch er blieb standhaft.

Marie blickte zu ihm herüber. Schützend hob sie ihren Arm vors Gesicht und stapfte schliesslich auf Antoine zu.

«Antoine, komm zu uns rüber. Hier ist es zu heiss. Du kannst eh nichts mehr ausrichten. Es ist alles verbrannt.»

Zögernd nickte er, drehte sich um und ging dann wortlos an Marie vorbei. Nur kurz warf er den Einwohnern einen Blick zu und stapfte dann davon. Marie folgte ihm einige Schritte. Hinter ihr rief eine Stimme aus der Menge ihr nach.

«Marie, lass ihn.»

Sie blieb stehen und schaute Antoine nach, wie er nach seiner Tasche am Wegrand griff und ohne zurück zu blicken mit nun strammen Schritten der Strasse folgend davon marschierte.

Leichter Regen setzte ein, während in der Abenddämmerung das Tageslicht langsam entschwand. Es würde in der Nacht noch stärker Regen. Das war den Einwohnern recht, denn niemand wollte den Brand löschen. Und bis dem Regen dies gelänge, würde bestimmt alles vernichtet sein. Der ganze Irrsinn hätte dann endlich ein Ende gefunden.

Erst vor einem Jahr waren die Bewohner des Hauses zu acht hierher gezogen. Allesamt schon im fortgeschrittenen Alter, aber noch rüstig und voller Zuversicht. Sie schienen überzeugt, dass sie hier ein neues Leben aufbauen könnten. Die Dorfbevölkerung hiess sie warm willkommen. Man schätze ihre Weisheit und benied sie um ihren offensichtlichen Wohlstand.

Doch schon nach wenigen Wochen nahm das Unheil seinen Lauf. Maries jüngerer Bruder Antoine erkrankte, als er bei ihr zu Besuch in Courban war. Starkes Fieber schwächte ihn so sehr, dass er mehrere Tage in seinem Bettlager ausharren musste. Derweil erkrankten weitere Dorfbewohner, alles eigentlich sonst junge, kräftige Menschen. Man fürchtete sich vor der Ansteckung. Kein Heilmittel schien zu helfen. Schliesslich anerboten sich die neuen Dorfbewohner, die Kranken zu sich zu nehmen, um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Ihr Haus stand rund einen Kilometer vom Dorf entfernt und war gross genug, um alle Betroffen aufzunehmen. Sie sicherten alle Hilfe und Pflege zu. Und man vertraute ihrer Weisheit. Wenn jemand helfen konnte, dann sie.

Tatsächlich wurden nur wenige Tage später alle Patienten wieder gesund. Doch einige waren nicht mehr die alten. Vieles aus ihrer Vergangenheit schienen sie vergessen zu haben. Auch ging ihre jugendliche Lebhaftigkeit verloren. Sie waren fortan besonnen und ganz in sich gekehrt.

Auch die neuen Bewohner des Hauses sah man nie mehr. Einige der Geheilten durften sie zwar noch regelmässig besuchen, doch sonst liessen sie niemanden mehr rein und verliessen das Haus auch nicht mehr.

Vor rund einer Woche trommelte Antoine das Dorf zusammen. Acht seiner Mitgenesenen waren verschwunden. Es waren jene acht, die sich seit der Krankheit so stark verändert hatten.

Kurzerhand entschied man sich, bei den neuen Bewohnern nachzufragen. Und da diese nicht reagierten, beschloss man, die Türe aufzubrechen. Man fand die Bewohner in erbärmlichem Zustand. Sie waren nicht mehr ansprechbar. Ihre alten, geschwächten Körper waren nur noch eine lebende Hülle ohne jeden Verstand und völlig unterernährt. Nach wenigen Tagen starben sie aufgrund der Unfähigkeit Essen und Trinken zu sich zu nehmen. Man vermutete einen erneuten Ausbruch der Krankheit. Damit sich der Erreger also nicht wieder ausbreiten konnte, legte man im Haus Feuer und liess alles ein Raub der Flammen werden.

Der Regen wurde nun stärker und die Leute zogen sich zurück in ihre Häuser oder in die Dorfkneipe. Nur Antoine eilte durch den dunklen Wald. Er kannte den Weg gut.

Antoine ahnte, was in den vergangenen Tagen geschehen war. Etwas unglaubliches. Obwohl er krank war und von den neuen Bewohnern zwar gut betreut, jedoch in keiner Weise aufgeklärt wurde, konnte er sich einiges zusammenreimen.

Die Genesung begann mit einem magischen Trank. Antoine konnte trotz seines Fiebers verfolgen, wie die Bewohner ihn brauten. Ihren geflüsterten Worten entnahm er, dass dieser Trank ein sehr wichtiger Schritt in einem ihm unbekannten Plan war. Jeder der Bewohner steuerte eine Zutat bei. Antoine merkte sich die Zutaten. Sie wurden nur geflüstert. Das erste und das einzige Mal überhaupt.

Die andern Erkrankten waren in einer ganz schlechten Verfassung und nicht mehr ansprechbar. Man musste ihnen das Gebräu einflössen. Antoine schien zwar gegenüber der ominösen Krankheit widerstandsfähiger zu sein, war jedoch auch froh, dass ihm das Glas mit dem Getränk an die Lippen gehalten wurde und er nicht selbst danach greifen musste. Ob seine Hände überhaupt noch dazu in der Lage gewesen wären, war er sich heute nicht mehr sicher.

Auch die Bewohner selbst tranken davon. Wesentlich mehr sogar. Antoine schien zu schweben ohne Zugriff auf seinen Körper. Er sah, wie alle in sich zusammensackten und teilnahmslos auf ihren Pritschen liegen blieben.

Die Zeit verrann, ohne dass Antoine fähig war, sich zu bewegen. Dann plötzlich begann er wieder seinen Körper wahrzunehmen. Und nicht nur das, auch etwas Fremdes schien sich in seinem Körper einnisten zu wollen. Mit aller Kraft sprang Antoine hoch und hechtete panikerfüllt aus dem Raum. Sein Herz bebte. Doch er fühlte, dass er das Fremde hinter sich gelassen hatte. Nach und nach kämpfte sich ein Kranker nach dem andern aus dem Raum. Was Antoine nicht wusste, nicht alle konnten das Fremde abwehren. Acht von ihnen hatten es nicht geschafft. Und die acht Bewohner, die sie gepflegt hatten, waren gar nie mehr zu Bewusstsein gekommen.

Antoine riss sich aus seinen Gedanken und ging zügig weiter. Der Regen wurde stärker und der Weg tiefer. Er nahm den direkten Weg nach Châtillon-sur-Seine, wo er wohnte und als Steinmetz arbeitete. Marie, seine ältere Schwester, war in Courban mit ihrer Familie gut aufgehoben.

Im Gegensatz zu fast allen andern Dorfbewohnern war Antoine des Lesens und Schreibens mächtig. Als Steinmetz war dies wichtig. Irgendjemand musste ja in Châtillon-sur-Seine die Grabsteine für die dort ansässigen Ordensbrüder und die Oberschicht meisseln. Folglich hatte Antoine, als er zu Maries Familie zurückgekehrt war, das Rezept für den ungewöhnlichen Trank in Stein gemeisselt. Die Steintafel hatte er in Maries Haus sicher versteckt. Nicht einmal sie wusste davon.

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